Bürgermeister Lütt-Schulz
Bürgermeister Lütt-Schulz wusste immer, wie es mit den Feldarbeiten stand. Er schaute auch nach dem Wetter und schrieb nicht erst lange einen Zettel mit der Einladung für den Bekanntmachungsknüppel, um ihn dann in den langsamen Umlauf zu geben. Stattdessen wählte Lütt-Schulz eine günstige Tageszeit, meistens mittags oder abends, ging unter die Dorfeiche und rief sein Anliegen in die Runde: “Kamt mol all up Dörp tosaam”. Dabei legte er eine offene Hand an den Mund und hielt das “saaam” mit gewaltiger Lunge so lange an, bis er sich in alle Richtungen gedreht hatte. Und kurz darauf kamen die Vertreter aus der Dorfrunde auch schon zusammen. Natürlich war auch grundsätzlich der Bekanntmachungsknüppel dafür geeignet, alle aus der Dorfrunde zu informieren und so gleichzeitig den Gemeinschaftssinn wach zu halten.
Wenn sich eine Kuh etwa zum Kalben im Stall aufhielt, wurde aus der Nachbarschaft Hilfe geholt. Man informierte die anderen aber nur kurz, in dem man allenfalls dazu sagte: “Ist noch nicht so eilig“. Oder: “Mach deine Arbeit erst mal fertig“. Meistens brauchte man vier weitere Personen als Helfer, manchmal aber auch weniger. Oft mussten die Frauen mit anpacken, wenn die Männer gerade unterwegs waren. Aber einer war fast immer dabei: Bürgermeister Lütt-Schulz, des Öfteren begleitet von seinem Neffen, Klauckens Adolf. Die beiden hatten den Ruf eines Experten, vielleicht durch ihr Gehabe, vielleicht aber auch durch ihre guten Nerven und die Ruhe, die die beiden ausstrahlten. Natürlich hatten alle älteren Bauern selbst eine gewisse Erfahrung im Umgang mit kalbenden Kühen. Die erste Autorität stellte dann die Lage des Kalbes im Mutterleib fachkundig fest, indem sie mit der Hand in den Mutterleib eindrang. Dann wurden ein bis zwei Stränge um die Füße des Kalbes geschlungen und man wartete in der Folge auf die Wehen der Kuh. Manchmal mussten die anwesenden Geburtshelfer selbst ermahnt werden, nicht allzu laut zu sein, um das Muttertier nicht zu beunruhigen. Doch dann war es meistens schon zu spät und die Kuh schon zu gestresst, sodass sich die Geburt entsprechend verzögerte. Und je mehr Menschen dazu kamen, desto länger dauerte es.
Die Nachbarschaftsbeziehungen entwickelten sich aber dennoch nicht gleichmäßig. Manche Dorfbewohner sahen sich täglich und kamen entsprechend oft miteinander ins Gespräch. Sie stimmten beispielsweise den großen Backtag, das Dreschen und Rübenpflanzen sowie das Schlachten gegenseitig ab und unterstützten sich in ihren Aufgaben und Zielen. Beim Backen wurde folglich “beigebacken”, beim Schlachten geholfen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Jeder Hof hatte seine bevorzugten Nachbarn, mit anderen Dorfbewohnern und Nachbarn wurde hingegen weniger gemeinsam erledigt. Einige Höfe beschäftigten gelegentlich auswärtige Hilfskräfte, Verwandte oder Tagelöhner. Man achtete darauf, dass die Hilfskräfte dem Hofbesitzer bekannt und im Umgang mit Haus und Hof, Küche, Keller, Gerätschaften und Maschinen vertraut waren. Außerdem war es dem jeweiligen Landwirt wichtig, dass die Hilfskräfte seine Regeln und Gewohnheiten kannten und auch beachteten.
Die Uhrzeit des Aufstehens wurde in erster Linie vom Milchwagenfahrer bestimmt. Wegen der Wärme und der Gefahr des Säuerns und Verderbens der Milch fuhr der Milchkutscher im Sommer verständlicherweise viel früher als im Winter, wenn die Tage von Natur aus schon kurz waren und niedrige Temperaturen vorherrschten. Der Fahrplan des Milchwagens war selbstverständlich vorher mit der Molkerei abgestimmt worden. Wenn jemand die Kannen noch nicht gebracht hatte, musste der Milchwagen entsprechend warten. Doch wäre dieses Verhalten früher fast einem Skandal gleich gekommen. Das ganze Dorf hätte es nämlich genüsslich zur Kenntnis genommen und sicherlich nicht mit hämischen Sticheleien gespart. So sorgte auf diese Weise der “Rundling“ für ausreichend Disziplin in Hinsicht auf Pünktlichkeit, Verträglichkeit und Ordnung.
Für die fahrenden Kaufleute waren die Rundlinge wie für sie geschaffen. Damals kam unter anderem der Kaufmann Christoph Gall mit dem Pferdewagen wöchentlich auf den Dorfplatz, um all das anzubieten, was normalerweise ständig in Küche und Haus gebraucht wurde, die sogenannten Kolonialwaren. Und er brauchte gewöhnlich nicht lange zu warten, denn er wurde ja bereits von seinen Kunden erwartet. Gleichzeitig war er auch Eieraufkäufer für die Bäuerinnen. Dieses „Eiergeld“ hatten die Hausfrauen dann zumindest zum Einkaufen zur Verfügung. So standen deshalb die gesammelten Hühnereier immer am gleichen Wochentag gesäubert und gestempelt im Henkelkorb bereit. Bei Bedarf lag sogar der Einkaufszettel dabei. Meist genügte es, die Tür zur großen Futterdiele offenzuhalten, um von der Küche durch die Groot-Döör den Dorfplatz zu übersehen. Für den Fall, dass es nötig war, hatte der Kaufmann eine Klingelglocke neben seinem Sitz. So ging das Geschäft regelmäßig bei allseits guter Laune unter der Dorfeiche über die Bühne. Einmal, so wurde berichtet, fragte eine Frau zum Beispiel, ob sein Mostrich auch frisch wäre. Der gut gelaunte und ausgeruhte Kaufmann sagte schlagfertig: “Keine Bange, den hev ick er’s hüt morgens frisch von de lütt Kinners tosaamen holt”. Doch sicher waren die Witze in der Regel stubenreiner.
Aus dem Buch “Damals im Wendland” von Burkhard Kulow
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Tag des Welterbes am 1. Sonntag im Juni in wechselnden Rundlingsdörfern
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